no 8
Little Red River 14 July 1834 ( angekommen d 11 sept 1834)
Meine th. geliebte Mutter. – Umsonst habe ich mich bemüht Deinen von Vater angekündigten Brief s. St Louis zu erhalten, er ist noch nicht eingegangen ebensowenig der v. Vater vom Nov od Dec., welch letzterer vermuthlich auch ganz verloren ist. Es thut mir leid darum, denn er schient einige mir interessante Nachrichten zu erhalten, u. aus Deinem Brief m. l. Mutter, hoffe ich entnehmen zu können, wie Du u. die andern Familien Glieder über das Auswanderungsprojekt denken. Aus Vater werde ich in dieser Beziehung nie recht klug, nach seinen Briefen scheint er die Sache nicht aufgeben zu wollen u. doch nicht die geringste Lust zur Ausführung zu haben. Allerlei Bedenklichkeiten u. Besorgnisse scheinen in ihm aufzusteigen, was mich aber ärgert u. was mich in meinem letzten Briefe vielleicht zu einiger Empfindlichkeit geführt hat, sind die steten Berufungen auf anderer Leute Meinungen u. Urtheil. Wie können andere Leute über das urtheilen was uns gut u. angenehm ist, u. was kümmern sie sich am Ende darum ob es uns zu Hause od. hier gut od. schlecht gehe; wie wenige waren es, die wirklich Theil daran nahmen, als Vater in den letzten Zeiten so schimpflich zurückgesetzt wurde. u. mancher davon bedauerte nicht die Person sondern nur die unterdrückte politisch Faction. – Weit aus die Mehrzahl aber, u. darunter gewiss viele, von denen es gar nicht erwartet wurde, konnten aus die Schadenfreude in unserer Gegenwart zurückhalten – Wie ungut handelte nicht selbst die Bürgerschaft v. Brugg gegen ihn, deren Besten er doch manche Stunde der geopfert? –
Ich werde eben durch Ankunft Eurer Briefe v. Ende Hornung u. Anfanf März unterbrochen u. überrascht. Ich freue mich dass Ihr endlich zu einem definitiven Entschluss gelangt seid, denn die Ungewissheit in der Ihr seit mehr als einem Jahr geschwebt, muss gewiss nachtheilig auf Vater gewirkt haben –
Euer Entschluss stimmt mit dem Rath in meinem letzten Brief überein, ich muss gestehen, die Gründe, welche Euch bestimmten sind der Art, dass ich denselben beipflichten muss. Franz u. seine Eltern werden ohne Zweifel bald Eurem Beispiel folgen. Für einstweilen haben die Wälder , das Klima, die Neuheit der Gegenstände, die mich umgeben, die unbedingteste Freiheit, Reiz genug mich hier zu fesseln, auf wie lange?. Das weiss ich selbst nicht, vermuthlich nur auf kurze Zeit, denn meine Laufbahn als Farmer hat nicht aufs beste begonnen, u. wenn mir’s nächstes Jahr wieder so schlecht gehen sollte, so werde ich bald aufbrechen. Auch fühle ich wohl, wie schwierig es sein wird, so ganz allein in der einsamen Wildniss zu leben, aber versuchen will ich es u. hoffe nicht ganz schlecht durchzukommen – wenn ich von dem Fieber verschont bleibe; andere Krankheiten sind nicht zu besorgen, aber diese, so wenig gefährlich sie auch ist, so entkräftigend u. entmuthigend wirkt sie auf den Körper u. man darf sich lange Zeit nachher Morgens u, Abends der Feuchtigkeit u. den sonnenstrahlen nicht aussetzen, ist also von jeder Arbeit ausgeschlossen. Dieses Fieber war eigentlich stets meine grösste Besorgniss denn wie Du m. l. Mutter, sagst, ging das ganze Projekt vorzüglich v. mir aus, u. unendliche Vorwürfe hätte ich mir machen müssen, wenn irgend eines unserer Familien Glieder von der selben u. deren Folgen dahingerafft worden wäre. Wenn Franz diess bedenkt, so wird auch er nicht Veranlassung sein wollen, dass seine Eltern hierher kommen, wenn sie nicht ihre eigene Sehnsucht herführt. Nur wer Muth, Kraft u. Audauer in sich fühlt, der kann den niederschlagenden Anwandlungen von Heimweh u. Rückerinnerungen an bessere vergangene Zeiten widerstehen, u. was einen bei gesunden Tagen mit Freude erfüllt wird den mit Fieber behafteten zur feindlichen Gemüthskrankheit. Wenige Europäer werden in den ersten Jahren ihre hierseins diesem Uebel entgehen, gewöhnlich kommt es in dem ersten Jahr u. legt ganze Familien aufs Krankenlager, ein Unstand des so Viele verunglücken machte, weil sie v. d Arbeit abgehalten sind, ihr oft nur sehr geringes Vermögen aufgezehrt, Kummer u. Sorgen dann die Einen ins Grab legt, die andern durch alle Weltgegenden zerstreut. In dieser Beziehung kann sich kein Europäer mit den Eingeborenen messen. Haben diese durch Unglück, Liederlichkeit od sonst ihr ganzes Vermögen verloren u. haben sie nur ein Pferd, eine Kuh od auch gar nur ihre Wertlosen Hausgeräthe aus dem Schiffbruch gerettet, so ziehen sie in unbebaute Wälder, leben v. Ertrag der Jagd u. ohne alles Geld, denn sie sind v. Jugend auf gewöhnt solches zu entbehren, wenn d. Erlös für Ihre Ernten od. der Ertrag des Pelzwerks zu etwas anderem bestimmt ist. Nicht so der Europäer der in einem Lande erzogen wurde, wo Jeder sein bestimmtes Gewerbe hat u. die eine Hand in die andere arbeitt; dieser ist bei weitem nicht so anschlägig, kl. Hindernisse bringen ihn in Verlegenheit, weil sie ihm neu u. ungewohnt sind, u. erst nach geraumer Zeit lernt er die Axt ordentlich zu gebrauchen, die in den endlosen Wäldern wohl als das unentbehrlichte Instruent anzusehen u. d. Aufbau eines Hauses, KLärung eines Feldes, was dem Amerikaner mit Leichtigkeit v. Statten geht, wird dem Einwanderer saure Mühe mit langsamem Erfolg bringen – Wo es aber der Letzten durch Hülfe ihrer Geldmittel oder sonst gelingt die ersten Jahre durchzumachen, so leben sie, besonders die Deutschen, besser als die Amerikaner u. schwingen sich gewöhnlich bald empor, weil sie in der Arbeit ausdauernder u. nicht so zum herumziehen geneigt sind. Sie weit ich es nun bringen werde, wird die Zukunft lehren. Euren Entschluss voraussehend habe ich bereits vor 3 Wocheen eine Farm um 30 Thaler, mit der Bedingung dass sie der Verkäufer zu jeder Zeit, wenn ich will, um denselben Preis zurücknehmen wird. Das Land ist freilich Staatseigentum, aber darauf werde ich so ruhig sitzen als auf meinem eigenen. Der Kaufpreis gilt nur für 2 Häuser u. Nebengebäude u. etwa 12 – 15 Morgen aufgeklärtes u. eingesentes Land. Hätte ich den Kauf ein Jahr früher geschlossen, ich hätte die gleiche Farm nicht unter 60, 80 od 100 Thaler erhalten, sowie ich für die Miethe wo ich sitze, jetzt auch nur 10 Thlr. od gar nichts geben würde, wenn ich noch einmal traktieren könnte.
In dem Brief an Vater, worin ich meinen Entschluss, noch einige Zeit hier auszuhalten mittheilte, habe ich auch um Uebersendung mancherlei Effekten u. um Geld gebeten. In erster Beziehung verweise ich auf meinen vorigen Brief od. wenn er allenfalls verloren gegen sollte, auf meine bisherigen Berichte, Euch überlassend daraus zu entnehmen was ein eizelner kann für einen Zeitraum v. wenigen Jahren bedarf, wobei Ihr aber bedenken mögt, dass was Ihr sendet nicht verloren geht, sondern seiner Zeit wieder zurückgebracht wird. Geld scheint mein l. Vater schon mit dem letzten Brief v. Nov. od Dec. gesandt zu habern, da aber derselbe nicht eingetroffen, so ist diesem Bedürfnisse nicht abgeholfen. Freilich ist bestimmt mir die Mittel zur Heimreise zu verschaffen u. wenn Ihr auf meiner Wiederkehr beharrt u darauf dingt, so muss ich Euren Wünschen entsprechen u. Euch v. meiner Reise mündlichen Bericht erstatten, lieber aber wäre mir, wenn Ihr mir zu meinem längeren Aufenthalt in diesem Lande behülflich wäret damit ich mir wenigstens einige Erinnerungen ann dasselbe sammeln kann.
Bis nächstes Frühjahr werde ich nun jedenfalls hier bleiben müssen, um Eure Antworten auf meine Briefe abzuwarten u um die Winterjagd nicht im Stiche zu lassen. Verwende ich aber das zur Heimreise bestimmte Geld auf meine Ansiedlung, so werde ich spätere auch die Mittel finden mir hach Hause fortzuhelfen. Im Uebrigen aber seid meinetwegen ausser aller Sorge, ich bin munter, planze u. arbeiten von Morgen wie der Tag graut bis zum Abend u. kann am Ende doch nichts herumkommen, weil mir die Arbeit z. Theil noch beschwerlich ist u. nicht so gur vorrückt – Da mein korn gar nichts wird so habe ich eine schöne Quantität Kartoffeln gesteckt, werde diesen Monat rüben säen; meine Bohnen, Zwiebeln, gelbe Rüben, Pastinaken, Melonen, Wassermelonen, Gurken stehen schön, sehr schön, Melonen hatte ich schon reife, ebenso sind die Frühkartoffeln schon seit einem Monat zum Essen gut. Süsse Kartoffeln sind mir viele gefault weil es eine gegen die Feuchte u. Frost sehr enpfindliche Wurzel ist. Einzig Köhl u. Kabis wollen nicht recht gut thun, theils weil es für diese Gewächse etwas warm ist, u. ich keinen ordentlichen Samen bekam, obschon ich ihn sehr theuer bezahlen musste; nächstes Jahr will ich sie irgendwo in Schatten setzen, – Dir mein l. Bruder wünsche ich v. innigem Herz Glück zu den erfreulichen Resultaten Deiner Arbeit, die Dich berechtigt einem Entschluss zu entsagen, der Deiner Neigung hinderlich gewesen. Ich werde zwar zu Deiner Hochzeit nicht kommen, denn das würde Dir wahrscheinlich zu lange dauern, werde aber hoffentlich der ersten od. einer späteren Kindstaufe beiwohnen können. Von Dir od. der Mutter hoffe ich auch einige Nachrichten von Elise, Abraham u. ihren Kindern, v. meinen Bekannten u. Freunden etc zu vernehmen, denn dass Vater nicht dergleichen schreibt, wisst Ihr ja, auch wer der Frager um Luise war, habe ich nicht erfahren, und wenn nicht der Schlingel Beck so dumm war, so könnte ich ihn auch nicht errathen. – Jetzt noch eins – in seinem letzten Brief schreibt Vater, dass Hans wahrscheinlich sein Glück in Amerika versuchen werde, u. ich konnte dies gar nicht missbilligen, insofern nur davon die Rede sein soll, nach beendigter Lehrzeit seine Wanderjahre in diesem Lande zu machen, denn ich glauber dass er dort viel auf seiner Professsion lernen kann, freilich hier nicht sondern in den nördlichen Staaten, wo ein Handwerker nach allen Berichten für Arbeit gar nicht braucht besorgt zu sein.Seine Reise aber soll er im Spätsommer antreten u. über N. Orl. gehen, damit er mich hier besuche eh er weiter gehe. Ich wünsche dies theils meinetwegen um allerlei Neues v. zu Hause zu erfahren u ihn zu sehen, theils seinetwegen, weil ich ihm wahrscheinlich manchen guten Rath ertheilen kann Wenn er bald kommt u. sich dass einige Zeit bei mir aufzuhalten wünscht so ist auch Arbeit da, in dem v Grollmann sich eine Pferdemühle will bauen lassen, die man Winter u. Frühjahr auch durchs Wasser kann treiben lassen – Nun adieu meine Geliebten Alle u. schätzt Euch glücklich, dass sich Eure Verhältnisse so gewendet haben dass Ihr nicht zu mir zu kommen braucht
Euer Ergenster G. Jaeger
P.S. Bevor ich meinen Brief schloss habe ich noch einmal nachgesehen ob ich nichts vergessen, u. habe dann gefunden dass Du l. Mutter nicht einer kürzlich gemachten Geldsendung erwähnst, sondern wie es scheint blos die Meinung zu haben dass ich trachten solle mit den letzen v. N.Orl bezogenen 3000 frs auszukommen. Das ist auch mein Wille, allein meine Vorschüsse an Tschiffeli, über die ich dem Franz meine Rechnung schickte sind so bedeutend, dass mein bares Geld sehr nahe beisamen ist. Ich habe daher in meinem letzten Brief an Vater gebeten mir den Betrag dieser Vorschüsse noch zukommen zu lassen, welches jedenfalls nothwendig wird, wenn ich nach dem Missouri gehen od gar heimkommen soll. Ob ich aber die Reise jetzt od. erst in einigen Jahren zu machen habe, werdet Ihr bestimmen. Dass H. Hürner an meine Reisekosten nichts beitragen wird, versteht sich v. selbst, denn er hat ja diejenigen v. Tschiffeli zu bestreiten, die sich höher belaufen werden, als die meinigen, obschon unter meinen Auslagen ein sehr bedeutender für Ankauf v. Pferd, Kuh, Hausgeräth etc sich befindet, u ich 30 Thlr Pachtzins hier bezahlte. Ich denke überhaupt mit dem Gelde so sparsam als möglich umgegangen zu sein, u kann Euch später Rechnung geben, denn ich habe d. meisten Ausgaben aufgeschrieben leider aber meist nur auf fliegenden Blättern die noch zusammengefügt werden sollten, wozu ich hier zu Lande k. Lust fühle, zu Hause einst aber schon Zeit finden werde – Wenn Ihr meine Sachen schickt, so legt auch etwas Papier v. verschieden Sorten bei, es ist hier ganz horrent theuer GJ